Donnerstag, 1. November 2012

Kapitel 5


Kapitel 5

Vier Freunde waren wir. Wir waren tatsächlich vier an der Zahl. Es lag wohl an dieser magischen, geraden Ziffer, dass wir unbesiegbar, klug und erfolgreich schienen. Gerade Zahlen, die durch zwei teilbar sind und sich dadurch halbieren lassen, haben Symmetrie. Sie strahlen dadurch eine gewisse Ästhetik aus und Symmetrie bedeutet Schönheit.

Bei Dreien ist immer einer zu viel und wird zwangsläufig vernachlässigt, nicht so bei Vieren, das ist die optimale Anzahl. Zwei plus Zwei ist die richtige Menge, die sehr gute Freunde benötigen, um das zu sein, was wir waren, nämlich perfekt. Wir waren so nah an der Perfektion wie es Sterbliche nur sein können, wenn wir zusammen arbeiten, als Team schaffen wir Alles! Wir ergänzten uns hervorragend. Was der Eine nicht konnte, schaffte der Andere, wir halfen einander und waren füreinander da. Jeder Mensch hat ein außergewöhnliches Talent, etwas das er besser kann, als Andere. Eine Fähigkeit, die dir das Universum geschenkt hat und mit der du gesegnet bist. Freunde oder Verwandte daran teilhaben zu lassen ist eine Pflicht und vor Allem auch ein Möglichkeit, dir ihre Dankbarkeit zu sichern, so dass auch sie dir helfen, wenn du sie brauchst. Gutes, was einer vollbringt kommt immer zu einem zurück, es ist wie mit der Liebe die du gibst! Das ist eine Konstante im Universum, genauso wie die Tatsache, dass ich immer Recht habe!

Wir waren die „Coolen“ im Viertel, die mit denen jeder befreundet oder bekannt sein wollte. Wir waren einfach, wie man heute so schön sagt „in“. Natürlich verbreiteten wir auch Angst und Schrecken, das gehört dazu, sonst hätte man keinen Respekt vor uns gehabt. Theo und Ali waren in unserer Freundschaft immer eher der körperliche Part, diejenigen die um ihre Figur und ihr Aussehen besorgt waren, die Sportler und die Eitlen, diejenigen die für Raufereien und Gewalt zuständig waren. Obwohl ich eigentlich überzeugter Pazifist bin und Gewalt verabscheue, hat das Leben mich gelehrt, dass einige Menschen nur diese Sprache verstehen. So war ich in doppelter Hinsicht von den beiden Abhängig. Ich brauchte jemanden um mich herum der skrupellos Gewalt anwenden konnte, wenn die Situation es erforderte.

Die Zwei trugen auch dazu bei, dass Sebastian und ich uns ernsthaft unseres Äußeren annahmen. Basti und ich stellten eher den intellektuellen Part in diesem Quartett dar. Mit unserem manchmal tiefsinnigen, überlegenen Intellekt sorgten wir für das entsprechende Niveau und steckten die anderen mit unseren Besserwissertum an. Wie Schönheit ist auch Bildung und Wissen etwas, das ansteckend wirken kann. Zusammen waren wir die ideale Ergänzung. Wir waren so nah an der Perfektion, dass das Universum es nicht lange verantworten konnte uns beisammen zu lassen.

Von den Beziehungen zu meinen drei Freunden war immer die zu Ali die komplizierteste, und das obwohl ich ihn am längsten kannte, nämlich seit dem Kindergarten. Es wird wohl irgendwann Ende der 70er Jahre gewesen, dass ich als katholisch getaufter Spanier, dem ebenfalls der selben Konfession angehörenden Kindergarten Sankt Joseph in der List besuchte. Das war noch ein andere Zeit in der es nicht üblich war, dass ein Türke, der islamischen Glaubens war, einen christlichen Kindergarten besuchte. Aber dennoch war es so, Ali kam kam dort hin. Wir waren Pioniere einer Integration, die noch niemand kannte und für notwendig hielt. Wie es nicht anders hätte kommen können, freundeten wir beiden ausländischen Kinder dort an.

Es war eine sehr gute Freundschaft die dort ihren Ursprung hatt. Eine die sehr lange halten sollte. Auch unsere Familien verkehrten miteinander und das obwohl beide Eltern nur gebrochen Deutsch sprachen und unterschiedliche Religionen hatten. Aber irgendwie war das kein Hindernis sich nicht zu sozialisieren. Sie fanden einen Weg sich zu verständigen. Meinen Eltern schmeckte der Raki, wenn wir bei Ali zu Besuch waren und eine spanische Tortilla und spanischer Fußball sind immer perfekte Gesprächsthemen! So wuchs ich auf mit Ali und einer Freundschaft zu ihm die alles überdauern sollte. Wir gingen durch dick und dünn, besuchten die selben Schulen und hatten ähnliche Interessen und das obwohl wir eigentlich grundunterschiedlich waren. Wir teilten Spielzeug und Freunde. Später als wir älter wurden manchmal sogar die Frauen, natürlich hintereinander. Immer wenn unsere Freundschaft vernachlässigt wurde und wir uns von einander entfernten und auseinanderlebten, sorgten unsere Schwester dafür, dass wir wieder zueinander fanden. Wir hatten beide jüngere Schwestern, die ebenfalls beste Freundinnen waren, und bei den Mädchen geht so etwas immer etwas tiefer. Sie waren der Garant dafür dass unsere Freundschaft die nötige Kontinuität hatte!

In jedem schlechten Hollywoodfilm würde es natürlich so sein, dass einer mit der Schwester seines besten Freundes liiert ist, womöglich noch heimlich. Aber mit so einer telenovelatauglichen „Musicaleinlage“ kann ich hier nicht dienen. Ich wuchs mit ihr auf und sie war wie eine weitere Schwester für mich. Ich hätte niemals etwas mit ihr anfangen können. Es wäre als ob ich Inzest begehen würde, eine unverzeihliche Todsünde. So verführerisch Verbotenes auch sein kann. Wusste ich immer, dass es ein Tabu wäre das ich nicht überschreiten dürfte. Jeder der islamische Freunde hat weiß, dass diese im Bezug auf ihre Frauen, antiquierte Ansichten haben. Ansichten, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind, aber trotzdem respektiert werden sollten. Aber wie sollen sich völkerverständigende Gesten abspielen, wenn unsere heimlichsten Träume aus Tausend und einer Nacht nie Realität werden dürfen?

Als jemand der zu seiner jüngeren Schwester ein sehr enges und inniges Verhältnis hatte, bekam ich Sachen mit in Bezug auf ihre beste Freundin, die nicht für meine Augen und Ohren bestimmt waren. Ich schwieg und behielt es für mich. In einen geschlossen Mund kommen keine Fliegen. Es reicht, wenn ich soviel sage, dass auch junge türkische Mädchen ein intimes Privatleben haben. Obwohl ich einige der Einstellung Alis zu Frauen teile, auch ich denke, dass eine deutsche Frau zum heiraten nicht geeignet ist. Dafür braucht man eine Partnerin der eigenen Art, jemanden aus dem eigenen Kulturkreis. Mit einheimischen Damen kann einer sicher sehr viel Spaß haben, für feste Bindungen sind sie aber meiner bescheiden Meinung nach nicht geeignet. Es ist meine feste Überzeugung und Wunsch, dass meine zukünftige Frau möglichst unberührt sein sollte, aber nicht so extrem wie ein islamischer Mann das praktiziert. Ich würde niemals nach der Hochzeitsnacht das blutbefleckte weiße Bettlacken aufhängen, um der Welt und der Familie zu zeigen, dass meine Frau noch jungfräulich war. Andere Länder, andere Sitten. Aber in der Sache denke ich tendenziell ähnlich, vielleicht, wenn ich es anhand einer Metapher erkläre wird die Welt mich nicht für ganz so chauvinistisch und altmodisch halten. Niemand will aus einer Flasche trinken, die schon tausend mal herumgereicht wurde.

Ali ist ein sehr sportbegeisterter Mann, er war das schon immer, und zwar nicht so einer wie ich, der Sport mit den Augen auf den Bildschirm genießt, sondern einer, der ihn selbst aktiv praktiziert. Wenn Theo das Gesicht eines griechischen Gottes darstellte, so war es Ali, der den entsprechenden Adoniskörper dazu hatte. Er war besessen von seiner Figur und konnte jeden zweiten Tag um die 20 Kilometer joggen. Eine Besessenheit und Begeisterung, die in ihm steckte und der er bis heute nachgeht. Der viele Sport hatte seine biochemischen Auswirkungen in seinem Körper. Als er vor 10 Jahren in der Blüte seines Lebens steckte, mittlerweile ist er etwas ruhiger geworden, war er so voller Energie und Hormone, dass er zeitweise zwei Freundinnen gleichzeitig brauchte. Er wusste einfach nicht wohin mit seiner Energie.

Ich erinnere mich genau, als wir einmal alle vier auf dem Weihnachtsmarkt waren, wollte er einer seiner damaligen Freundin ein Lebkuchenherz kaufen und es ihr in einem Anfall romantischer Schwäche schenken und sie damit überraschen. Beklagenswerterweise traf er in der Stadt zufällig auf die andere Geliebte, er war es der überrascht wurde! Schlagfertig wie er ist, improvisierte er und schenkte ihr das Herz, so als ob es von vornherein für sie bestimmt gewesen wäre. Diese freute sich über einen solchen spontanen Liebesbeweis so sehr, dass sie ihm ein unvergessliches, romantisches Wochenende versprach. Es ist immer richtig neutrale Objekte zu kaufen. Namen sollten immer vermieden werden, so kommt es nicht zu unerfreulichen Verwechselungen.

Wir Freunde wussten alles über seine Frauengeschichten und schwiegen. Eine Freundschaft erfordert in unseren Augen bedingungslose Loyalität. Egal was einer anstellt, wie falsch und unmoralisch es sei, deine Freunde müssen zu dir halten! Du kannst ihm unter vier Augen erklären wie unangemessen, widerwärtig und bösartig du sein verhalten findest, aber du darfst ihn nicht verraten und ihm in den Rücken fallen. Das Schweigen ist nicht nur ein Gebot der Mafia, auch Freunde haben dies zu praktizieren!

Alis Familie strahlte immer sehr viel Wärme und Geborgenheit für mich aus. Ich war gerne bei ihnen. Dort Hausaufgaben zu machen und zu lernen war ein Vergnügen. Es war eine gebildete Familie voller Akademiker, nicht so laut wie meine, eine Oase der Ruhe, die auch Kinder manchmal brauchen. Alis Mutter hatte immer wenn ich bei ihnen zu hause war gesagt, ich sei wie ihr zweiter Sohn, eine Wärme und Gastfreundschaft die ich durch und durch fühlte. Es war eine Zeit als die Türken noch richtige Türken waren und ich meine damit kemalistische Türken, die die Mustafa Kemal Atatürk verehrten und deren Prinzipien zum Lebensmittelpunkt machten. Laizistisch, säkulare Menschen, die zwar nationalistisch waren, aber fest an eine westlich orientierte türkische Republik glaubten. Keine billige Imitation eines modernen Islamisten, der Frau und Kinder mit Kopftuch in die Stadt schickt, um der Welt zu zeigen, wie wichtig die Religion ist. Denn lange vor Deutschland hatten die Türken bereits einen weiblichen Regierungschef!

Alis Mutter war eine gottesfürchtige, religiöse Frau, sein Vater eher das Gegenteil. Er war ein moderner, laizistischer Mann, voller Lebensfreude immer lächelnd, der sehr viel rauchte und auch gerne mal ausgiebig den Alkohol, sprich Raki, genoss. Ich erinnere mich noch vage, dass als Ali einmal Geburtstag hatte und seinen 15. Geburtstag feierte, uns Alis Vater ins Wohnzimmer rief. Ich hatte diesen Raum vorher noch nie betreten, also war das an sich schon ein außergewöhnlicher Moment. Er sagte dass wir jetzt wo wir beide vierzehn sind, als Jugendliche hier in Deutschland fast erwachsen seien und wir das Leben in all seinen schönen Seiten kennenlernen würden. Dann schenkte er uns ein Glas Raki ein und sagte:
Wisst ihr, Religion ist gut, aber in maßen. Ich möchte nicht, dass ihr heimlich irgendwo in einer verrauchten Kneipe euer erstes Glas Alkohol trinkt, serefe!!“ Er sagte das mit orientalischem Akzent und einem sympathischen aber hinterhältigen Lächeln, so dass ich diese Worte und mein erstes Glas Alkohol mein Leben lang nicht vergessen werde.

Ali war nie der klügste. Obwohl er ein durchaus vielversprechendes Potential hatte, war er ein Ignorant was Bildung und Wissen angeht, so gleichgültig in dieser Beziehung. Wenn ich nicht so gut mit ihm befreundet wäre, würde ich sagen er sei dumm. Aber die Interessen sind nur unterschiedlich gelagert und einer wertet gerne ab, was er nicht mag und versteht. Wenn einer so eine tolle und sportliche Figur wie Ali hat, kann man nicht auch noch von ihm erwarten dass er klug und weise ist. Das Universum gibt dir immer nur Etwas, nie Alles!

Das Leben ist voller Überraschungen. Gerade er ist es, der heute am wohlhabendsten ist. Ja, ich würde sogar sagen er ist reich. Und reiche Menschen dürfen sich ein bisschen Exzentrizität erlauben. Das war schon immer so.

Er hatte und hat trotzdem eine unerklärliche Art von Weisheit, die ihm innewohnt. Vielleicht eine Weisheit, die der Dummheit entspringt. Von ihm stammt zum Beispiel der Satz „Einmal Nazis, immer Nazis!“ Diesen Satz prägte er, als wir in der Realschule einen schweren Umgang mit unseren deutschen Klassenkameraden hatten! Für ausländische Jugendliche, die hier in Deutschland aufwachsen ist dieser kurze, prägnante Satz, eine eine Art Leitsatz auf den einer merkwürdigerweise immer wieder zurückkommt, als ob sich das Leben in Kreis drehen würde! Unsere Geduld mag ewig wehren, aber Raum und Zeit sind in sich gekrümmt.

Mit 16 Jahren verließ er mit einen einfachen Realschulabschluss, gegen den willen seiner Eltern, die Schule. Er strebte nicht, wie sein Vater es gewollt hätte, nach dem Abitur sondern wollte nur eine einfache Ausbildung machen und endlich arbeiten, um sein eigenes Geld zu verdienen. Er hatte nicht das Bedürfnis einen höheren Schulabschluss oder ein Studium zu absolvieren. Er war und ist ein Mann mit einfachen Bedürfnissen, der in dem schnöden Mammon mehr sieht als einfach nur eine Währungseinheit, es ist als ob jüdisches Blut durch sein Adern fliesen würde. Er sieht in Dollar bzw. € Zeichen eine wahre Segnung und Geld beflügelt ihn. Sicher macht Geld alleine nicht glücklich, es kann manchmal ein Fluch sein. Aber auch hier hat mich das leben gelehrt, das diejenigen, die immer sagen das es nicht glücklich mache, die sind, die am meisten haben!

In einer Familie wie seiner in der es so viele Akademiker gibt, sorgte dies für viel Aufregung und Enttäuschung. Er wusste, was er wollte und ist seinen Weg gegangen. Es war aber ein steiniger, langer und schwerer Weg, den er zurücklegen musste. Aber das Ziel stets vor Augen hatte er immer Kurs gehalten und wurde belohnt.

Als Jugendlicher mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik einen Ausbildungsplatz zu finden ist kein einfaches Unterfangen. Es erfordert Geduld und Ausdauer. Viel Frustration und über 300 Bewerbungen waren von Nöten. Drei lange Jahre dauerte sein Martyrium bis seine Suche von Erfolg gekrönt wurde. Ausländische Mitbürger werden auf dem deutschen Arbeitsmarkt systematisch benachteiligt. Natürlich ist das ein nicht beweisbares Faktum, welches immer wieder bestritten wird. Wie belege ich, dass meine ethnische bzw. meine nationale Herkunft der Grund für meine Absage ist? In dieser Beziehung haben sich Hitlers Kinder nicht weiter entwickelt, sie erkennen nicht, welch hohes Potential ihnen durch ihre rassistischen Verblendungen entgeht. Bei über 10 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik Deutschland ist es ein enormes Humankapital, dass hier in diesem Land dahinvegetiert, ohne dass es ausreichend genutzt wird! Wir brauchen keine Facharbeiter aus fremden Ländern, wir müssen nur die die wir schon haben richtig ausbilden und allen auf dem Arbeitsmarkt ein faire Chance geben. Es kann auch nicht sein das Menschen in Arbeit sind und so wenig verdienen, dass sie noch zusätzlich „Hartz IV Aufstockung“ beziehen müssen.

Was lange wehrt, wird endlich gut. Ali zeigte in dieser Zeit der verzweifelten Suche einen grenzenlosen Optimismus, wo anderen verzweifelt wären und der Hoffnungslosigkeit und Selbstmitleid verfallen wären, zeigte er Mut und Kraft. Ich wusste nicht woher er diese Energie nahm. Er hatte eine Stärke und eine Kraft, um die ihn selbst der legendäre Herkules beneidet hätte.

Damals dachte ich es wäre sein begrenzter Intellekt, der ihn trotz allem so positiv denkend erscheinen ließ. Lieber Leser, vielleicht haben Sie es auch schon einmal beobachtet, dass dumme Menschen mit wesentlich mehr Leichtigkeit durchs Leben gehen als kluge und tiefsinnige. Es ist vielleicht die fehlende kritische Reflexion, die es dummen Menschen ermöglicht Ziele zu erreichen, die ihnen vom Bildungsstand eigentlich nicht zustehen.

Während kluge gebildete Menschen noch darüber nachdenken und reflektieren ob etwas richtig wäre, sich in tiefschürfenden philosophischen inneren Monologen verlieren, handeln dumme einfach, „tun statt denken“ ist die Devise, die sie voranbringt. Wird die dumme Leichtigkeit des Seins auch noch durch ein angenehmes Äußeres - sprich also einer schönen Verpackung - unterstützt, sind wir alle zu gerne bereit, Dummheit und fehlende Bildung hinzunehmen und zu akzeptieren.

Ein Beispiel hierfür ist die im Volksmund sehr bekannte „dummwiebrot“ Blondine. Jeder kennt eine in seiner nahen Umgebung und obwohl einer sich gerne darüber lustig macht ist diese Blondine allgemein sehr beliebt und bei vielen geschätzt. Es ist hier das angenehme Äußere, welches uns gewinnend einnimmt! Unterstützt werden solche vollkommen unangebrachten volkstümlichen Vorurteile auch noch durch eine andere vielleicht sogar noch weiter verbreitete falsche Schlussfolgerung, dass dumme Menschen gut kopulieren könnten! Liebe Leser, Sie merken wie ich versuche verzweifelt dieses widerwärtige deutsche „f-Wort“ zu vermeiden, aber jeder kennt den Satz auf den ich mich hier beziehe!

Ich würde jetzt nicht sagen, dass Ali immer dumm war oder ist, aber ein Bisschen „mentalblondmässiges“ hatte er manchmal an sich. Einer der Gründe, weshalb er in der schweren Zeit seiner Ausbildungsplatzsuche so optimistisch sein konnte, war dass er immer etwas zu tun hatte. Er viel zu beschäftigt war um sich zu viele Gedanken zu machen. Sein Sport der ihn voll einnahm und seine Tätigkeit im Sicherheitsdienst seinen Cousins. Wie jeder weiß haben Türken immer eine große Familie in der jeder jedem hilft. Wer Ali in der Uniform des Sicherheitsdienstes seines Cousins gesehen hat, bekam Angst vor ihm. Ja, gib einem Deutschen eine Uniform und du wirst wirklich erkennen, das Kleider Leute machen, egal ob der Deutsche in diesem Fall einen Migrationshintergrund hat. Hitlers Kinder sind überall. Aber auch die Türken müssen sich in dieser Beziehung nicht verstecken, sie haben ebenfalls eine glorreiche militärische Tradition! Natürlich, wie sollte es auch anders sein für einen Ausländer, bezog Ali Sozialhilfe während er für seinen Familienangehörigen jobbte!

Der Ausbildungsplatz der Ali zufiel war der eines einfachen Handwerkers. Nicht dass ich es abwerten will, in einem mittelständischen Unternehmen das Küchen einrichtet, also ein Küchenstudio, welches hier in der Region recht bekannt ist, zu arbeiten. Es war nur ein Handwerksberuf den er erlernt hatte, obwohl er lieber in einen kaufmännischen Beruf wie zum Beispiel Bankkaufmann oder Versicherungskaufmann seine Lehre absolviert hätte. Wenn du ihn heute fragst, wird er dir natürlich, weil es so gut bei ihm gelaufen ist, sagen, dass es das ist was er immer sein wollte. Aber dem war nicht so, und ich war dabei, ich habe eine Bewerbung nach der anderen mit ihm geschrieben und versucht jede neue zu verbessern. Aus den Absagen versuchten wir Lehren zu ziehen und die nächste Bewerbung zu verbessern. Wenn ein Lebenslauf wieder zurück kam in dem der Absatz „Staatsangehörigkeit: türkisch“ rot unterstrichen war, verloren wir uns nicht in sinnlosen Nörgeln über die Deutschen, sondern hackten es als „einmal Nazi, immer Nazi“ Charakterzug ab. Damals hatte Ali noch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen, sondern war noch ein stolzer, mutiger Türke. Niemand hätte erahnen können welch außergewöhnliches Talent er als Handwerker entfalten würde und welch beeindruckende Karriere ihn erwartete. Das Schicksal ist voller Überraschung und Ironie, das Universum hat durchaus einen Sinn für Humor!

 ©R.M.A