Kapitel 5
Vier Freunde waren
wir. Wir waren tatsächlich vier an der Zahl. Es lag wohl an dieser
magischen, geraden Ziffer, dass wir unbesiegbar, klug und erfolgreich
schienen. Gerade Zahlen, die durch zwei teilbar sind und sich dadurch
halbieren lassen, haben Symmetrie. Sie strahlen dadurch eine gewisse
Ästhetik aus und Symmetrie bedeutet Schönheit.
Bei Dreien ist immer
einer zu viel und wird zwangsläufig vernachlässigt, nicht so bei
Vieren, das ist die optimale Anzahl. Zwei plus Zwei ist die richtige
Menge, die sehr gute Freunde benötigen, um das zu sein, was wir
waren, nämlich perfekt. Wir waren so nah an der Perfektion wie es
Sterbliche nur sein können, wenn wir zusammen arbeiten, als Team
schaffen wir Alles! Wir ergänzten uns hervorragend. Was der Eine
nicht konnte, schaffte der Andere, wir halfen einander und waren
füreinander da. Jeder Mensch hat ein außergewöhnliches Talent,
etwas das er besser kann, als Andere. Eine Fähigkeit, die dir das
Universum geschenkt hat und mit der du gesegnet bist. Freunde oder
Verwandte daran teilhaben zu lassen ist eine Pflicht und vor Allem
auch ein Möglichkeit, dir ihre Dankbarkeit zu sichern, so dass auch
sie dir helfen, wenn du sie brauchst. Gutes, was einer vollbringt
kommt immer zu einem zurück, es ist wie mit der Liebe die du gibst!
Das ist eine Konstante im Universum, genauso wie die Tatsache, dass
ich immer Recht habe!
Wir waren die
„Coolen“ im Viertel, die mit denen jeder befreundet oder bekannt
sein wollte. Wir waren einfach, wie man heute so schön sagt „in“.
Natürlich verbreiteten wir auch Angst und Schrecken, das gehört
dazu, sonst hätte man keinen Respekt vor uns gehabt. Theo und Ali
waren in unserer Freundschaft immer eher der körperliche Part,
diejenigen die um ihre Figur und ihr Aussehen besorgt waren, die
Sportler und die Eitlen, diejenigen die für Raufereien und Gewalt
zuständig waren. Obwohl ich eigentlich überzeugter Pazifist bin und
Gewalt verabscheue, hat das Leben mich gelehrt, dass einige Menschen
nur diese Sprache verstehen. So war ich in doppelter Hinsicht von den
beiden Abhängig. Ich brauchte jemanden um mich herum der skrupellos
Gewalt anwenden konnte, wenn die Situation es erforderte.
Die Zwei trugen auch
dazu bei, dass Sebastian und ich uns ernsthaft unseres Äußeren
annahmen. Basti und ich stellten eher den intellektuellen Part in
diesem Quartett dar. Mit unserem manchmal tiefsinnigen, überlegenen
Intellekt sorgten wir für das entsprechende Niveau und steckten die
anderen mit unseren Besserwissertum an. Wie Schönheit ist auch
Bildung und Wissen etwas, das ansteckend wirken kann. Zusammen waren
wir die ideale Ergänzung. Wir waren so nah an der Perfektion, dass
das Universum es nicht lange verantworten konnte uns beisammen zu
lassen.
Von den Beziehungen
zu meinen drei Freunden war immer die zu Ali die komplizierteste, und
das obwohl ich ihn am längsten kannte, nämlich seit dem
Kindergarten. Es wird wohl irgendwann Ende der 70er Jahre gewesen,
dass ich als katholisch getaufter Spanier, dem ebenfalls der selben
Konfession angehörenden Kindergarten Sankt Joseph in der List
besuchte. Das war noch ein andere Zeit in der es nicht üblich war,
dass ein Türke, der islamischen Glaubens war, einen christlichen
Kindergarten besuchte. Aber dennoch war es so, Ali kam kam dort hin.
Wir waren Pioniere einer Integration, die noch niemand kannte und für
notwendig hielt. Wie es nicht anders hätte kommen können,
freundeten wir beiden ausländischen Kinder dort an.
Es war eine sehr
gute Freundschaft die dort ihren Ursprung hatt. Eine die sehr lange
halten sollte. Auch unsere Familien verkehrten miteinander und das
obwohl beide Eltern nur gebrochen Deutsch sprachen und
unterschiedliche Religionen hatten. Aber irgendwie war das kein
Hindernis sich nicht zu sozialisieren. Sie fanden einen Weg sich zu
verständigen. Meinen Eltern schmeckte der Raki, wenn wir bei Ali zu
Besuch waren und eine spanische Tortilla und spanischer Fußball sind
immer perfekte Gesprächsthemen! So wuchs ich auf mit Ali und einer
Freundschaft zu ihm die alles überdauern sollte. Wir gingen durch
dick und dünn, besuchten die selben Schulen und hatten ähnliche
Interessen und das obwohl wir eigentlich grundunterschiedlich waren.
Wir teilten Spielzeug und Freunde. Später als wir älter wurden
manchmal sogar die Frauen, natürlich hintereinander. Immer wenn
unsere Freundschaft vernachlässigt wurde und wir uns von einander
entfernten und auseinanderlebten, sorgten unsere Schwester dafür,
dass wir wieder zueinander fanden. Wir hatten beide jüngere
Schwestern, die ebenfalls beste Freundinnen waren, und bei den
Mädchen geht so etwas immer etwas tiefer. Sie waren der Garant dafür
dass unsere Freundschaft die nötige Kontinuität hatte!
In jedem schlechten
Hollywoodfilm würde es natürlich so sein, dass einer mit der
Schwester seines besten Freundes liiert ist, womöglich noch
heimlich. Aber mit so einer telenovelatauglichen „Musicaleinlage“
kann ich hier nicht dienen. Ich wuchs mit ihr auf und sie war wie
eine weitere Schwester für mich. Ich hätte niemals etwas mit ihr
anfangen können. Es wäre als ob ich Inzest begehen würde, eine
unverzeihliche Todsünde. So verführerisch Verbotenes auch sein
kann. Wusste ich immer, dass es ein Tabu wäre das ich nicht
überschreiten dürfte. Jeder der islamische Freunde hat weiß, dass
diese im Bezug auf ihre Frauen, antiquierte Ansichten haben.
Ansichten, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind, aber trotzdem
respektiert werden sollten. Aber wie sollen sich völkerverständigende
Gesten abspielen, wenn unsere heimlichsten Träume aus Tausend und
einer Nacht nie Realität werden dürfen?
Als jemand der zu
seiner jüngeren Schwester ein sehr enges und inniges Verhältnis
hatte, bekam ich Sachen mit in Bezug auf ihre beste Freundin, die
nicht für meine Augen und Ohren bestimmt waren. Ich schwieg und
behielt es für mich. In einen geschlossen Mund kommen keine Fliegen.
Es reicht, wenn ich soviel sage, dass auch junge türkische Mädchen
ein intimes Privatleben haben. Obwohl ich einige der Einstellung Alis
zu Frauen teile, auch ich denke, dass eine deutsche Frau zum heiraten
nicht geeignet ist. Dafür braucht man eine Partnerin der eigenen
Art, jemanden aus dem eigenen Kulturkreis. Mit einheimischen Damen
kann einer sicher sehr viel Spaß haben, für feste Bindungen sind
sie aber meiner bescheiden Meinung nach nicht geeignet. Es ist meine
feste Überzeugung und Wunsch, dass meine zukünftige Frau möglichst
unberührt sein sollte, aber nicht so extrem wie ein islamischer Mann
das praktiziert. Ich würde niemals nach der Hochzeitsnacht das
blutbefleckte weiße Bettlacken aufhängen, um der Welt und der
Familie zu zeigen, dass meine Frau noch jungfräulich war. Andere
Länder, andere Sitten. Aber in der Sache denke ich tendenziell
ähnlich, vielleicht, wenn ich es anhand einer Metapher erkläre wird
die Welt mich nicht für ganz so chauvinistisch und altmodisch
halten. Niemand will aus einer Flasche trinken, die schon tausend mal
herumgereicht wurde.
Ali ist ein sehr
sportbegeisterter Mann, er war das schon immer, und zwar nicht so
einer wie ich, der Sport mit den Augen auf den Bildschirm genießt,
sondern einer, der ihn selbst aktiv praktiziert. Wenn Theo das
Gesicht eines griechischen Gottes darstellte, so war es Ali, der den
entsprechenden Adoniskörper dazu hatte. Er war besessen von seiner
Figur und konnte jeden zweiten Tag um die 20 Kilometer joggen. Eine
Besessenheit und Begeisterung, die in ihm steckte und der er bis
heute nachgeht. Der viele Sport hatte seine biochemischen
Auswirkungen in seinem Körper. Als er vor 10 Jahren in der Blüte
seines Lebens steckte, mittlerweile ist er etwas ruhiger geworden,
war er so voller Energie und Hormone, dass er zeitweise zwei
Freundinnen gleichzeitig brauchte. Er wusste einfach nicht wohin mit
seiner Energie.
Ich erinnere mich
genau, als wir einmal alle vier auf dem Weihnachtsmarkt waren, wollte
er einer seiner damaligen Freundin ein Lebkuchenherz kaufen und es
ihr in einem Anfall romantischer Schwäche schenken und sie damit
überraschen. Beklagenswerterweise traf er in der Stadt zufällig auf
die andere Geliebte, er war es der überrascht wurde! Schlagfertig
wie er ist, improvisierte er und schenkte ihr das Herz, so als ob es
von vornherein für sie bestimmt gewesen wäre. Diese freute sich
über einen solchen spontanen Liebesbeweis so sehr, dass sie ihm ein
unvergessliches, romantisches Wochenende versprach. Es ist immer
richtig neutrale Objekte zu kaufen. Namen sollten immer vermieden
werden, so kommt es nicht zu unerfreulichen Verwechselungen.
Wir Freunde wussten
alles über seine Frauengeschichten und schwiegen. Eine Freundschaft
erfordert in unseren Augen bedingungslose Loyalität. Egal was einer
anstellt, wie falsch und unmoralisch es sei, deine Freunde müssen zu
dir halten! Du kannst ihm unter vier Augen erklären wie
unangemessen, widerwärtig und bösartig du sein verhalten findest,
aber du darfst ihn nicht verraten und ihm in den Rücken fallen. Das
Schweigen ist nicht nur ein Gebot der Mafia, auch Freunde haben dies
zu praktizieren!
Alis Familie
strahlte immer sehr viel Wärme und Geborgenheit für mich aus. Ich
war gerne bei ihnen. Dort Hausaufgaben zu machen und zu lernen war
ein Vergnügen. Es war eine gebildete Familie voller Akademiker,
nicht so laut wie meine, eine Oase der Ruhe, die auch Kinder manchmal
brauchen. Alis Mutter hatte immer wenn ich bei ihnen zu hause war
gesagt, ich sei wie ihr zweiter Sohn, eine Wärme und
Gastfreundschaft die ich durch und durch fühlte. Es war eine Zeit
als die Türken noch richtige Türken waren und ich meine damit
kemalistische Türken, die die Mustafa Kemal Atatürk verehrten und
deren Prinzipien zum Lebensmittelpunkt machten. Laizistisch, säkulare
Menschen, die zwar nationalistisch waren, aber fest an eine westlich
orientierte türkische Republik glaubten. Keine billige Imitation
eines modernen Islamisten, der Frau und Kinder mit Kopftuch in die
Stadt schickt, um der Welt zu zeigen, wie wichtig die Religion ist.
Denn lange vor Deutschland hatten die Türken bereits einen
weiblichen Regierungschef!
Alis Mutter war eine
gottesfürchtige, religiöse Frau, sein Vater eher das Gegenteil. Er
war ein moderner, laizistischer Mann, voller Lebensfreude immer
lächelnd, der sehr viel rauchte und auch gerne mal ausgiebig den
Alkohol, sprich Raki, genoss. Ich erinnere mich noch vage, dass als
Ali einmal Geburtstag hatte und seinen 15. Geburtstag feierte, uns
Alis Vater ins Wohnzimmer rief. Ich hatte diesen Raum vorher noch nie
betreten, also war das an sich schon ein außergewöhnlicher Moment.
Er sagte dass wir jetzt wo wir beide vierzehn sind, als Jugendliche
hier in Deutschland fast erwachsen seien und wir das Leben in all
seinen schönen Seiten kennenlernen würden. Dann schenkte er uns ein
Glas Raki ein und sagte:
„Wisst ihr,
Religion ist gut, aber in maßen. Ich möchte nicht, dass ihr
heimlich irgendwo in einer verrauchten Kneipe euer erstes Glas
Alkohol trinkt, serefe!!“ Er sagte das mit orientalischem
Akzent und einem sympathischen aber hinterhältigen Lächeln, so dass
ich diese Worte und mein erstes Glas Alkohol mein Leben lang nicht
vergessen werde.
Ali war nie der
klügste. Obwohl er ein durchaus vielversprechendes Potential hatte,
war er ein Ignorant was Bildung und Wissen angeht, so gleichgültig
in dieser Beziehung. Wenn ich nicht so gut mit ihm befreundet wäre,
würde ich sagen er sei dumm. Aber die Interessen sind nur
unterschiedlich gelagert und einer wertet gerne ab, was er nicht mag
und versteht. Wenn einer so eine tolle und sportliche Figur wie Ali
hat, kann man nicht auch noch von ihm erwarten dass er klug und weise
ist. Das Universum gibt dir immer nur Etwas, nie Alles!
Das Leben ist voller
Überraschungen. Gerade er ist es, der heute am wohlhabendsten ist.
Ja, ich würde sogar sagen er ist reich. Und reiche Menschen dürfen
sich ein bisschen Exzentrizität erlauben. Das war schon immer so.
Er hatte und hat
trotzdem eine unerklärliche Art von Weisheit, die ihm innewohnt.
Vielleicht eine Weisheit, die der Dummheit entspringt. Von ihm stammt
zum Beispiel der Satz „Einmal Nazis, immer Nazis!“ Diesen
Satz prägte er, als wir in der Realschule einen schweren Umgang mit
unseren deutschen Klassenkameraden hatten! Für ausländische
Jugendliche, die hier in Deutschland aufwachsen ist dieser kurze,
prägnante Satz, eine eine Art Leitsatz auf den einer
merkwürdigerweise immer wieder zurückkommt, als ob sich das Leben
in Kreis drehen würde! Unsere Geduld mag ewig wehren, aber Raum und
Zeit sind in sich gekrümmt.
Mit 16 Jahren
verließ er mit einen einfachen Realschulabschluss, gegen den willen
seiner Eltern, die Schule. Er strebte nicht, wie sein Vater es
gewollt hätte, nach dem Abitur sondern wollte nur eine einfache
Ausbildung machen und endlich arbeiten, um sein eigenes Geld zu
verdienen. Er hatte nicht das Bedürfnis einen höheren
Schulabschluss oder ein Studium zu absolvieren. Er war und ist ein
Mann mit einfachen Bedürfnissen, der in dem schnöden Mammon mehr
sieht als einfach nur eine Währungseinheit, es ist als ob jüdisches
Blut durch sein Adern fliesen würde. Er sieht in Dollar bzw. €
Zeichen eine wahre Segnung und Geld beflügelt ihn. Sicher macht Geld
alleine nicht glücklich, es kann manchmal ein Fluch sein. Aber auch
hier hat mich das leben gelehrt, das diejenigen, die immer sagen das
es nicht glücklich mache, die sind, die am meisten haben!
In einer Familie wie
seiner in der es so viele Akademiker gibt, sorgte dies für viel
Aufregung und Enttäuschung. Er wusste, was er wollte und ist seinen
Weg gegangen. Es war aber ein steiniger, langer und schwerer Weg, den
er zurücklegen musste. Aber das Ziel stets vor Augen hatte er immer
Kurs gehalten und wurde belohnt.
Als Jugendlicher mit
Migrationshintergrund in der Bundesrepublik einen Ausbildungsplatz zu
finden ist kein einfaches Unterfangen. Es erfordert Geduld und
Ausdauer. Viel Frustration und über 300 Bewerbungen waren von Nöten.
Drei lange Jahre dauerte sein Martyrium bis seine Suche von Erfolg
gekrönt wurde. Ausländische Mitbürger werden auf dem deutschen
Arbeitsmarkt systematisch benachteiligt. Natürlich ist das ein nicht
beweisbares Faktum, welches immer wieder bestritten wird. Wie belege
ich, dass meine ethnische bzw. meine nationale Herkunft der Grund für
meine Absage ist? In dieser Beziehung haben sich Hitlers Kinder nicht
weiter entwickelt, sie erkennen nicht, welch hohes Potential ihnen
durch ihre rassistischen Verblendungen entgeht. Bei über 10
Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik
Deutschland ist es ein enormes Humankapital, dass hier in diesem Land
dahinvegetiert, ohne dass es ausreichend genutzt wird! Wir brauchen
keine Facharbeiter aus fremden Ländern, wir müssen nur die die wir
schon haben richtig ausbilden und allen auf dem Arbeitsmarkt ein
faire Chance geben. Es kann auch nicht sein das Menschen in Arbeit
sind und so wenig verdienen, dass sie noch zusätzlich „Hartz IV
Aufstockung“ beziehen müssen.
Was lange wehrt,
wird endlich gut. Ali zeigte in dieser Zeit der verzweifelten Suche
einen grenzenlosen Optimismus, wo anderen verzweifelt wären und der
Hoffnungslosigkeit und Selbstmitleid verfallen wären, zeigte er Mut
und Kraft. Ich wusste nicht woher er diese Energie nahm. Er hatte
eine Stärke und eine Kraft, um die ihn selbst der legendäre
Herkules beneidet hätte.
Damals dachte ich es
wäre sein begrenzter Intellekt, der ihn trotz allem so positiv
denkend erscheinen ließ. Lieber Leser, vielleicht haben Sie es auch
schon einmal beobachtet, dass dumme Menschen mit wesentlich mehr
Leichtigkeit durchs Leben gehen als kluge und tiefsinnige. Es ist
vielleicht die fehlende kritische Reflexion, die es dummen Menschen
ermöglicht Ziele zu erreichen, die ihnen vom Bildungsstand
eigentlich nicht zustehen.
Während kluge
gebildete Menschen noch darüber nachdenken und reflektieren ob etwas
richtig wäre, sich in tiefschürfenden philosophischen inneren
Monologen verlieren, handeln dumme einfach, „tun statt denken“
ist die Devise, die sie voranbringt. Wird die dumme Leichtigkeit des
Seins auch noch durch ein angenehmes Äußeres - sprich also einer
schönen Verpackung - unterstützt, sind wir alle zu gerne bereit,
Dummheit und fehlende Bildung hinzunehmen und zu akzeptieren.
Ein Beispiel hierfür
ist die im Volksmund sehr bekannte „dummwiebrot“ Blondine. Jeder
kennt eine in seiner nahen Umgebung und obwohl einer sich gerne
darüber lustig macht ist diese Blondine allgemein sehr beliebt und
bei vielen geschätzt. Es ist hier das angenehme Äußere, welches
uns gewinnend einnimmt! Unterstützt werden solche vollkommen
unangebrachten volkstümlichen Vorurteile auch noch durch eine andere
vielleicht sogar noch weiter verbreitete falsche Schlussfolgerung,
dass dumme Menschen gut kopulieren könnten! Liebe Leser, Sie merken
wie ich versuche verzweifelt dieses widerwärtige deutsche „f-Wort“
zu vermeiden, aber jeder kennt den Satz auf den ich mich hier
beziehe!
Ich würde jetzt
nicht sagen, dass Ali immer dumm war oder ist, aber ein Bisschen
„mentalblondmässiges“ hatte er manchmal an sich. Einer der
Gründe, weshalb er in der schweren Zeit seiner Ausbildungsplatzsuche
so optimistisch sein konnte, war dass er immer etwas zu tun hatte. Er
viel zu beschäftigt war um sich zu viele Gedanken zu machen. Sein
Sport der ihn voll einnahm und seine Tätigkeit im Sicherheitsdienst
seinen Cousins. Wie jeder weiß haben Türken immer eine große
Familie in der jeder jedem hilft. Wer Ali in der Uniform des
Sicherheitsdienstes seines Cousins gesehen hat, bekam Angst vor ihm.
Ja, gib einem Deutschen eine Uniform und du wirst wirklich erkennen,
das Kleider Leute machen, egal ob der Deutsche in diesem Fall einen
Migrationshintergrund hat. Hitlers Kinder sind überall. Aber auch
die Türken müssen sich in dieser Beziehung nicht verstecken, sie
haben ebenfalls eine glorreiche militärische Tradition! Natürlich,
wie sollte es auch anders sein für einen Ausländer, bezog Ali
Sozialhilfe während er für seinen Familienangehörigen jobbte!
Der Ausbildungsplatz
der Ali zufiel war der eines einfachen Handwerkers. Nicht dass ich es
abwerten will, in einem mittelständischen Unternehmen das Küchen
einrichtet, also ein Küchenstudio, welches hier in der Region recht
bekannt ist, zu arbeiten. Es war nur ein Handwerksberuf den er
erlernt hatte, obwohl er lieber in einen kaufmännischen Beruf wie
zum Beispiel Bankkaufmann oder Versicherungskaufmann seine Lehre
absolviert hätte. Wenn du ihn heute fragst, wird er dir natürlich,
weil es so gut bei ihm gelaufen ist, sagen, dass es das ist was er
immer sein wollte. Aber dem war nicht so, und ich war dabei, ich habe
eine Bewerbung nach der anderen mit ihm geschrieben und versucht jede
neue zu verbessern. Aus den Absagen versuchten wir Lehren zu ziehen
und die nächste Bewerbung zu verbessern. Wenn ein Lebenslauf wieder
zurück kam in dem der Absatz „Staatsangehörigkeit: türkisch“
rot unterstrichen war, verloren wir uns nicht in sinnlosen Nörgeln
über die Deutschen, sondern hackten es als „einmal Nazi, immer
Nazi“ Charakterzug ab. Damals hatte Ali noch nicht die deutsche
Staatsbürgerschaft angenommen, sondern war noch ein stolzer, mutiger
Türke. Niemand hätte erahnen können welch außergewöhnliches
Talent er als Handwerker entfalten würde und welch beeindruckende
Karriere ihn erwartete. Das Schicksal ist voller Überraschung und
Ironie, das Universum hat durchaus einen Sinn für Humor!